Was folgt, ist mein Bericht zum Pflichtpraktikum, welches ich im WiSe 2021/22 bei Bosch Connected Industry (Kurz BCI) in Stuttgart absolviert habe.
Bewerbungsphase
Bevor ich genauer auf mein eigentliches Praktikum eingehe, möchte ich grob Beschreibung, wie meine ganze Bewerbungsphase aussah.
Eigentlich hatte ich vor, gemeinsam mit meiner Freundin, ins Ausland zu gehen, um dort Erfahrungen in einer größeren Firma zu sammeln. Wir haben uns dafür extra in Unternehmen wie Tesla, Sony, CD Project Red, Gorilla Games usw. beworben, haben uns für Stipendien beworben und über den DAAD ein Sprachzertifikat absolviert. Leider hat uns Corona, bisschen wie erwartet, übel mitgespielt und wir mussten unser Suchradius auf Deutschland begrenzen, da die meisten Unternehmen, wenn dann nur Praktikanten aus dem eigenen Land genommen haben.
Innerhalb von Deutschland habe ich mich nur bei wenigen Agenturen beworben und größeren Firmen wie Bosch und Kärcher, letztere beiden haben mir auch eine Zusage gegeben. Am Ende habe ich mich für Bosch bzw. der Abteilung Bosch Connected Industry in Stuttgart entschieden.
Was ist die BCI?
Die BCI ist den meisten wahrscheinlich kein Begriff, obwohl der Name „Bosch“ jedem bekannt ist. Das liegt daran, dass es sich bei der BCI um eine interne und auf B2B Produkte spezialisierte Abteilung des Bosch Konzerns handelt. Die Firmen eigene Definition lautet:

„Bosch Connected Industry ist das IIoT Softwarehaus innerhalb von Bosch. Wir bündeln Software und Services für Industrie 4.0. Mit unserem NEXEED Portfolio unterstützen unsere erfahrenen Experten sowohl die eigenen Bosch-Werke als auch Kunden auf der ganzen Welt bei der Digitalisierung ihrer Fertigung und Logistik.“ 

Meine eigene Erklärung nach dem Praktikum bezieht sich vor allem auf das NEXEED Portfolio. Man kann sich darunter eine riesige Software vorstellen, welche innerhalb einer Fertigung/Fabrik alles überwachen, kontrollieren, einsehen und steuern kann, vom größten Nenner (dem Gebäude) bis zum kleinsten (der Schraube). Da jede Fertigung unterschiedliche Anforderungen und Rahmenbedingungen mitbringt soll das NEXEED wie eine Art Baukasten System vertrieben werden, so möchte man auf jeden Kunden zugeschnittene Pakete anbieten können.
Aufgaben und Projekte
Das Praktikum habe ich im User Experience Department (UXD) absolviert. Abgesehen von dieser Abteilung war der Rest der BCI in die sogenannten ESW Abteilungen gegliedert, welche hauptsächlich aus Entwicklern bestand. Die Hauptaufgaben der UXD ist es, die ESW Abteilungen mit Wissen bzgl. UX Design zu unterstützen, Interfaces zu bauen, Nutzerinterviews anzufertigen, bereits existierende Interfaces und das eigene BCI Designsystem upzudaten.
Innerhalb von Bosch gibt es ein allgemeines Designsystem, welches eine erste Orientierung geben soll, darunter dann ein spezifischeres BCI eigenes System. Zum Ende meines Praktikums fand ein großer digitaler Umzug auch statt, bei dem alle Komponenten von Sketch nach Figma umgebaut worden sind, dazu aber weiter unten mehr.
Andon Board
Meine erste größere Aufgabe war es neue Konzepte von einem Andon Board zu machen, die innerhalb des NEXEED Portfolio angeboten werden könnten.
Ein Andon Board ist die Bezeichnung für eine Anzeigetafel, welche Informationen, die innerhalb einer Fertigungshalle entweder über den Maschinen hängt oder direkt an bestimmten Maschine positioniert ist. Die wichtigsten Informationen welche dargestellt sein sollten waren die Uhrzeit, die Teilenummer der Station, Platz für drei mögliche Fehlermeldungen naheliegender Stationen und ein Chart mit der Soll/Ist Produktionsmenge.
Das Besondere an dieser Aufgabe generell war die Möglichkeit persönliche Nutzerinterviews zu führen, um herauszufinden, wie gut die aktuellen Ideen funktionieren würden. Hierfür bin ich mit einem Kollegen und einem weiteren Praktikanten aus der UXD zum Werk Feuerbach, Schwäbisch Gmünd und Leinfelden gefahren. An allen Standorten gab es eine ausführliche Werksführung, bei der wir immer wieder direkt mit Werksarbeitern gesprochen haben.
Am Ende des Projekts gab es eine kleine Auswahl an Konzepten, die sich vor allem in der Darstellung der Chart unterscheidet. Beide haben eine sehr gleiche Daseinsberechtigung, da jedes Werk sehr unterschiedliche Bedürfnisse bzgl. des Detailgrades hatte.
Master Data Management (MDM)
Das zweite Projekt an dem ich arbeiten durfte, war auch meine erste Erfahrung inwiefern Bosch mit Dienstleistern zusammen arbeitet. Jegliche Kommunikation lief über eine Projektleiterin des Unternehmen Capgemini, die eng mit Bosch an vielen Projekten zusammenarbeitet.
Das MDM ist ein Teil des NEXEED wo man Prozesse anlegen, verknüpfen und die Beziehung zueinander darstellen kann. Als Fertigungsprozess könnte man Schweißen, Kleben, Pressen usw. zählen. Die Herausforderung hierbei war es, dass jeder Prozess auch Subprozesse besitzen kann und diese Subprozesse auch welche haben können. Das kann immer so weiter gehen. Gleichzeitig soll es möglich sein, Prozesse und Subprozesse zu gruppieren, selbst wenn diese auf dem ersten Blick nichts gemeinsam haben. Da im NEXEED das meiste nur in Tabellen und Zeilen dargestellt wird und ich aus diesem Muster etwas ausbrechen wollte hab ich eine Art Map Editor Funktion aus einem anderen Portfolio Bereich aufgenommen. Dieser Vorschlag kam bei Review Meetings sehr gut an und wurde auch mit einbezogen.
Material Management
Die dritte Aufgabe hat mich ab der Hälfte des Praktikums bis zum Ende immer wieder beschäftigt. Über eine Anfrage einer ESW Abteilung wurde ich dieser zur Seite gestellt um als Ansprechperson bzgl. UI/UX Fragen zu fungieren. Die Abteilung welche aus knapp 6-8 Entwicklern bestand hatte die Aufgabe das sogenannte Material Management aus einem älteren System in das NEXEED Portfolio einzubinden. Dabei musste allerdings die gesamte, sehr veraltete Darstellung mit Berücksichtigung des Designsystems neu gestaltet werden. 
Die Aufgabe dieses Softwarebereiches war es zukünftig alle Materialien die sich innerhalb einer Fertigung befinden nachzuvollziehen, so soll man sehen wann, welches Material von welchem Lieferanten ankommt, wo sich dieses befinden wird und wie viel noch übrig ist. Auch empfindliche Materialien, die z.B. wärmeempfindlich sind und in geschützten Umgebungen gelagert werden müssen, sollen Aufschluss geben, wie lange sie an diesen Orten schon liegen oder auch nicht liegen.
Bis zum Ende meines Praktikums habe ich den ersten Bereich fertig gestaltet und der Frontend Entwickler konnte anfangen das neue UI zu übernehmen.
Von Sketch nach Figma
Die letzte große Aufgabe, die zum Ende meiner Zeit bei der BCI anfing, war der Umzug von Sketch auf Figma. Über die Zeit hatten die UX Designer immer mehr Probleme, mit Sketch zu arbeiten und haben nach vielen Abwegen den Beschluss gefasst auf Figma zu wechseln. Dies war nicht mal eine komplett eigene Entscheidung, parallel haben viele weitere Abteilungen wie z.B. Bosch E-Bikes ebenfalls angefangen diesen Schritt zu realisieren.
Anfangs dachten wir noch, dass wir relativ einfach alle Symbole aus Sketch direkt in Figma einfügen könnten, um sie dort in Komponenten umzuwandeln. Zum Teil hat es auch geklappt, aber da es viele Probleme mit dem Resizing der einzelnen Komponenten gab haben wir uns dazu entschieden einfach alle Symbole nach dem Atomic Design Prinzip nachzubauen. Da wir mit meinem Betreuer, einem weiteren Designer und seinem Praktikanten zu viert waren haben wir schon in den ersten 1,5 Monaten alle Core Elemente in Figma nachbauen können. Auch wenn es immer wieder Probleme mit dem Resizing gab, bei komplexerem Verhalten wurden die Vorteile von Figma gegenüber Sketch mehr und mehr klar. Gerade diese Aufgabe war eine unglaublich interessante und lehrreiche, da man gleiches auch aus anderen Firmen derzeit mitbekommen hat.
Alltag und Corona
Das Praktikum wurde von vornherein mit der Möglichkeit remote zu arbeiten angeboten. Allerdings wollte ich nach über 1,5 Jahren online Semestern endlich wieder irgendwo persönlich vor Ort sein. Da es sich auch ergeben hat das meine Freundin zum gleichen Zeitpunkt in Stuttgart-Ludwigsburg ihr Produktdesign Praktikum durchführen wird und fest für 6 Monate dort wohnen wird habe ich mich für ein Hybrides-Praktikum entschieden. In einem wechselndem Rhythmus von etwa 1-3 Wochen bin ich mal in Potsdam und mal in Stuttgart gewesen. Da ich sowohl ein Microsoft Laptop mit Bosch Software zur Kommunikation hatte als auch ein MacBook Pro für Sketch war ich generell sehr mobil.
Vor Ort in Stuttgart lag das Büro relativ zentral im Stadtteil Feuerbach, was quasi eine mini Bosch Stadt ist. Überall steht der Bosch Name drauf und wenn es ein anderer ist kann man sich ziemlich sicher sein das es eine von Boschs vielen Tochterfirmen ist. Unsere Abteilung lag im 7. Stockwerk eines Bürogebäudes, in welches die BCI erst Anfang 2021 eingezogen ist. Dadurch war alles noch sehr neu, es gab angenehme Sitzmöglichkeiten mit schöner Aussicht, höhenverstellbare Tische und freie Platzwahl. Allgemein hat sich Bosch sehr schnell auf die Corona-Situation angepasst und gemerkt, dass viele der Angestellten die Möglichkeit des Homeoffice nutzen wollen. So kommen im Gebäude z.B. auf jede Person nur 0,75 Sitze, man hat also schon direkt beim Einzug darauf gesetzt, dass nie 100% der Angestellten vor Ort sein werden.
Persönlich fand ich es wirklich interessant und gerade am Anfang beeindruckend offiziell in so einem Gebäude sitzen zu können. Da aber auch Kollegen und Kolleginnen meiner Abteilung große Fans vom Homeoffice geworden sind, habe ich 95% der Zeit alleine oder mit einem anderen Praktikanten vor Ort Kontakt gehabt. Der Rest lief nur über Teams Meetings, bei denen zwar auch versucht wurde, einen natürlichen Austausch zu erreichen, was aber nicht immer so gut geklappt hat als, wenn man sich persönlich gesehen hätte.
Betreuung im Team
Von Anfang an stand mir ein Betreuer innerhalb der Abteilung zur Seite, der sowohl für organisatorische Dinge zuständig war als auch inhaltlich helfen konnte. Im Laufe des Praktikums hat sich dann auch ein wöchentlicher Regeltermin ergeben, an dem noch ein anderer Bosch Designer mit seinem Praktikanten teilgenommen hat. Das war einer der schönsten Momente in der Woche, die Stimmung war sehr entspannt, wir haben uns alle gut verstanden und man konnte sehr gutes Feedback zu seiner derzeitigen Aufgabe einholen.
Bei Fragen, die UX Methoden angingen, gab es noch einen Kollegen, der in dem Bereich sogar Workshops vor Ort mit externen Kunden durchführte. Das Besondere an ihm ist sein Background als Diplom Psychologe. Aufgrund dessen war er auch immer derjenige, der Nutzerinterviews und Nutzertests durchführte.
UX Mindset bei Bosch
Erwähnenswert fand ich den generellen Umgang mit UX Methoden und Nutzerzentrierten Denken. Gerade bei einem so großen und lang existierenden Unternehmen wie Bosch hatte ich das Vorurteil, diese Dinge sind bestimmt nicht ganz durchgedrungen. Tatsächlich wird gerade aus den UX Abteilungen sehr klar und deutlich kommuniziert wie man Nutzerzentriert arbeiten kann und es werden Empfehlungen ausgesprochen. Es werden auch Kollegen gezielt gesucht, die vielleicht kein Design Hintergrund vorweisen können aber allgemein ein Interesse haben dieses Mindset in die eigene Abteilung weiterzutragen.
Dadurch entstand ein internes Netzwerk, welches sich regelmäßig trifft und austauscht, mit dem Namen „UX Gilde“.
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